Foto v.l.n.r.: Babette Cyrek & Beate Nowak vor dem Axel-Springer Haus © Axel Springer SE
„Wir wollen Vordenker bei der barrierefreien Kommunikation sein!“
Foto: Babette Cyrek © Axel Springer SE
Wie setzen Sie die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung in ihrem Unternehmen um?
Konzernschwerbehindertenvertreterin Babette Cyrek: “Das Ziel von Axel Springer ist, das weltweit größte Digitalunternehmen zu werden. Meine Aufgabe als Konzernschwerbehindertenvertreterin ist, mich dafür einzusetzen, dass die Arbeitsumgebung barrierefrei ist und so die bestgeeignetsten Bewerber*innen eingestellt werden.
Als erstes Medienunternehmen bekannte sich Axel Springer im März 2019 mit einem öffentlichen Aktionsplan zur Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Der Aktionsplan unterstützt die Umsetzung der von den Vereinten Nationen festgelegten Rechte von Menschen mit Behinderungen. In sechs Handlungsfeldern wurden praxisnahe Ziele und Maßnahmen festgelegt, die bis 2024 umgesetzt werden sollen.
Wir wollen Vordenker bei der barrierefreien Kommunikation sein. So ist es unser Ziel, dass unsere Internetseiten barrierefrei werden und digitale Printausgaben von z.B. „Bild“ und „Die Welt“ für blinde Nutzer*innen zugänglich gemacht werden, insbesondere die Erklärung von Fotos. E-Learning Programme brauchen Untertitel, damit Hörbeeinträchtigte teilhaben können. Unsere Konferenzräume sind mit einer induktiven Höranlage oder mobilen Geräten für schwerhörige Personen ausgestattet. Im 2020 fertig gestellten Neubau gibt es ein lärmberuhigtes Büro für psychisch Erkrankte.
Wichtig ist zunächst die Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung im Unternehmen. Mitarbeitende können ihre Schwerbehinderung bei den Schwerbehindertenvertretungen angeben und haben Anspruch auf Extraurlaub. Vierteljährlich stattfindende Jour Fixe mit dem Vorstand und der Konzernschwerbehindertenvertretung, Gespräche mit Führungskräften und IT-Expert*innen sowie ein jährlicher Marktplatz für alle Mitarbeitenden zum Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember schaffen eine Öffnung und Bereitschaft, die Ziele umzusetzen. Für die Gewinnung von Fachkräftenachwuchs bietet Axel Springer halbjährige Praktika für Studierende mit Handicap in Zusammenarbeit mit der Praktikumsvermittlung „MyAbility“ an.“
Wie verstehen Sie Integration?
Babette Cyrek: „Inklusion heißt mittendrin, und mittendrin kennt keine Barrieren. Wir können jede*n geeignete*n Bewerber*in einstellen, weil wir inklusiv denken und arbeiten. Das ist für mich Inklusion! Nicht die Kolleg*innen mit Handicap passen sich an, sondern unser Unternehmen sorgt für eine Verwirklichung umfassender, gleichberechtigter und selbstbestimmter Teilhabe.“
Welche Tipps können Sie anderen Unternehmen und Fach- und Führungskräften mit Behinderung geben?
Babette Cyrek: „Barrierefreiheit ist für einige unentbehrlich, für viele hilfreich und für alle komfortabel. Axel Springer steht für eine liberale Kultur. Wir fördern Toleranz und Vielfalt und damit Unternehmertum im Unternehmen. Das können wir auch allen anderen Unternehmen raten.“
„Unternehmen seit offen! Es steckt sehr viel Potential bei Schwerbehinderten. Wir lernen von den Schwerbehinderten.“
„Netzwerkaufbau und Austausch mit Anderen, z.B. Unternehmen.“
„Auf unserer Intranet-Seite „Inside Net“ gibt es eine Konzernschwerbehindertenseite mit wöchentlichen Posts zu bestimmten Themen.“
„Teilnahme am „Schichtwechsel“, eine jährliche Aktion bei der Mitarbeitende mit und ohne Behinderung ihren Arbeitsplatz tauschen.“
„Traut euch! Seit offen! Steht zu euren Stärken und zu eurer Behinderung.“
„Bei Stellenausschreibungen steht dort zusätzlich der Link zur Internetseite der Konzernschwerbehindertenvertretung sowie zum Aktionsplan.“
Aus dem Arbeitsalltag von Mitarbeitenden mit Behinderung
Grafikdesignerin Beate Nowak: „Für meine Arbeit als Infografikerin und Illustratorin in der Redaktion „Welt“, ist die barrierefreie Kommunikation am Arbeitsplatz ein ganz wichtiges Thema. Ich bin von Geburt an hochgradig schwerhörig und trage zwei Hörgeräte. Dank „SurfLinks Mobile“, eine Art Handmikrofon, das ich auf meine Gesprächspartner ausrichte und per Bluetooth mit meinen Hörgeräten verknüpft ist, habe ich mehr Sicherheit in der Kommunikation mit den Kollegen bekommen. Blickkontakt zum Gesprächspartner ist zusätzlich hilfreich. Das erleichtert mir das Ablesen vom Mund. Nur ca. 30 Prozent der Laute sind vom Mund abzusehen, 70 Prozent sind Kombinationsleistungen.
Geboren 1961 in Berlin, besuchte ich eine Grundschule für Schwerhörige und bis zum Abitur, als erste Schülerin mit einem Handicap, die „Schulfarm Insel Scharfenberg“ mit sehr kleinen Klassen. Nach dem Abitur studierte ich „Visuelle Kommunikation“ mit Schwerpunkt Illustration sowie „Erwachsenenbildung“ an der Hochschule der Künste.
Ab 1987 arbeitete ich als Grafikerin beim Cora-Verlag, einem damaligen Tochterunternehmen von Axel Springer. Ich war für die Cover und Innenseiten sowie Illustrationen von Liebesromanen zuständig. Nebenberuflich unterrichtete ich ab 1994 über 20 Jahre Erwachsene im Malen und Zeichnen. Die Kommunikation mit den Teilnehmenden beschränkte sich im Wesentlichen auf meine Themenvorschläge, auf das Zeigen meinerseits am Zeichentisch oder ich führte persönliche Gespräche. Es gab immer Handzeichen oder Zurufe. Die Menschen waren in der Mehrzahl rücksichtsvoll.
1994 wechselte ich zur Infografik der „Welt“. Hier liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit auf der visuellen Aufbereitung von Informationen zu Infografiken sowie Illustrationen für „Welt“ Print und Online. Diesen Job übe ich mittlerweile in Vollzeit aus. Privat zeichne und male ich im eigenen Atelier und zeige meine Bilder in Ausstellungen. Für die Suche nach einem Job rate ich, dass es wichtig ist, sich klar zu werden, wo Stärken liegen und sich auf diese zu konzentrieren.“