Fachveranstaltung: Berufliche Perspektiven für Frauen im Klima- und Umweltschutz
Die sozial-ökologische Transformation mit Frauen aktiv voran bringen
Am 22. Juni 2023 fand unsere ÖKOTHEK-Fachveranstaltung „Berufliche Perspektiven für Frauen im Klima- und Umweltschutz“ statt. Sowohl beim Klimaschutz als auch bei der Anpassung an den Klimawandel können und sollten Frauen wichtige Akteurinnen in Veränderungsprozessen sein. Wenn Frauen in diesem Feld auch beruflich Verantwortung übernehmen, können sie zu Energiesicherheit und zur Minderung des Treibhausgasausstoßes beitragen. Und vor allem dazu , dass die Transformation sozial- und gendergerecht wird.
„Beim Klimaschutz auf Frauen setzen“
In vielen Klimaschutzbereichen übernehmen Frauen bereits Führungsrollen. Trotzdem sind sie in politischen und unternehmerischen Entscheidungsgremien sowie lokalen und regionalen Planungsprozessen immer noch unterrepräsentiert. Das sollten wir dringend ändern, findet Martina Bergk, Geschäftsführerin von LIFE Bildung Umwelt Chancengleichheit e.V.. Für sie ist der Klimaschutz das wichtigste Transformationsfeld in unserer Gesellschaft.
Als Ingenieurin für Energie und Verfahrenstechnik entwickelt Bergk bei LIFE Bildungs- und Orientierungsangebote für Frauen im Umwelt- und Klimaschutz. Sie stellte konkrete berufliche Perspektiven für Frauen im Klima- und Umweltschutz“ vor. “Nicht nur in den Energiewende-Branchen gibt es großes Potenzial, sich für Klimaschutz einzusetzen. In vielen Berufen geht es heute auch darum, Klimaschutz voranzubringen. Frauen sollten die nachhaltige Zukunft auch beruflich mitgestalten“, so Martina Bergk. Sie zeigte dazu den großen Bedarf in fast allen Branchen auf.
400.000 neue Arbeitsplätze im Klimaschutz und sozialem Wohnungsbau ab 2025 benötigt
2021 arbeiteten rund 344.100 Menschen im Bereich erneuerbare Energien, Tendenz steigend. In den nächsten zwei Jahren rechnet beispielsweise die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), mit einem weiteren Anstieg um 400.000 Arbeitsplätze. Auch in der öffentlichen Verwaltung sieht Martina Bergk große Chancen für den Einstieg als Klimaschutz- und Klimaanpassungsmanagerinnen.
Urbane Landwirtschaft mit Waterfarming – Zukunftsberufe in der Stadt
Grit Bürgow, Ingenieurin für Landschaftsarchitektur und Projektleiterin an der Technische Universität Berlin im Projekt Stadtmanufaktur sieht die Zukunft grüner Berufe vor allem in urbanen Räumen. Als Teil des Kooperationsunternehmens ClimateHOOD und Inhaberin von AQUATECTURA – Studios für regenerative Landschaften, machte sie deutlich, warum die weitere Entwicklung und Umsetzung bereits entwickelter Technologien so wichtig ist.
Am Beispiel der ROOF WATER-FARM 2.0, einem Reallabor der StadtManufaktur der TU Berlin, erklärte Grit Bürgow den Teilnehmenden wie in verschiedenen Hydroponik-Farmmodulen platzsparend Salate, Kräuter und Gemüse angebaut und geerntet werden. Ein Ansatz, der in Japan derzeit in einer Mensa für den Anbau von Gemüse genutzt wird. Vertikaler Gemüseanbau ermöglicht einen zehnfach so hohen Ertrag wie der Bodenanbau. Außerdem werden im Waterfarming durch einen integrierten Wasserkreislauf 98% weniger Wasser verbraucht als im konventionellen Anbau.
Wasserkreisläufe für viele Gebäude nutzbar machen
In weiteren Projekten legt das Team um Grit Bürgow auf ausgewählten Dächern Zisternen an, begrünt Fassaden und schafft Orte zur lokalen Produktion von Nahrungsmitteln. All das dient dazu, Regenwasser in einen natürlichen Kreislauf zu überführen. Schilfbeete, sogenannte Retentionsräume, sowie eine intensive und experimentelle Begrünung kühlen zudem den städtischen Raum. „Hier könnte ein gigantisches Zukunftsfeld in Städten entstehen, auf Schul- oder und Hoteldächern als Kleingärten zur Selbstversorgung oder Agrarproduktion“, meint Grit Bürgow. Sie ermutigte die Teilnehmenden beruflich weiter zu denken und die Roof Water Farm zu besichtigen. „Hier ist Luft nach oben. Aus unseren Ergebnissen lassen sich viele Geschäftsmodelle entwickeln oder indigene Vorgehensweisen nutzen, kommt zu uns.“
Nachhaltigkeit am Bau
Angela Tohtz, Architektin und Geschäftsbereichsleitung bei der deutschen Bauindustrie zeigte Möglichkeiten zur Nachhaltigkeit am Bau. Anhand ihrer eigenen beruflichen „Zick-Zack-Biografie“ ermutigte sie die Zuhörenden zunächst dazu ebenfalls eigene Geschäftsmodelle zu entwickeln, eigene Agenturen zu gründen, falls es zunächst nicht mit einer Festanstellung klappt.
Als Leiterin für Hochbau, Normung und Nachhaltigkeit freut sie sich über einen Zuwachs von drei Stellen seit 2017 für den Bereich Nachhaltigkeit bei dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie.
Sichtbare Auswirkungen der politischen Klimaziele
Die Klimaziele wirken sich sehr deutlich auf den Bau aus, auch auf die Frauen am Bau. Hier liegt der Frauenanteil bei 10 %. 2,1 % der Auszubildenden in bauhauptgewerblichen Berufen sind weiblich. Der Frauenanteil beim gewerblich dualen Studium liegt bei 8 %. „Wir wollen und müssen zeigen, dass der Bau viele Möglichkeiten bietet einen spannenden Beruf auszuüben, stellt Angela Tohtz fest.
Politische Klimaschutzziele wie bereits in Paris 2015 beschlossen und das deutsche Klimasschutzgesetz zwängen zu nachhaltigen Bauen und das sei allen im Baugewerbe inzwischen klar. Sie bedeuten eine gewaltige Transformation in einem Sektor, der 11% des Bruttosozialprodukts erwirtschaftet. Außerdem trägt er zu 40 % des Abfallvolumens bei und verbraucht 30 % der gesamten Energie in Deutschland.
Der Flaschenhals: Ohne Fachkräfte keine Nachhaltigkeit
Der größte Nachhaltigkeitseffekt sei über die Sanierung des Gebäudebestandes zu erreichen, stellt Tohtz fest. Sorge macht ihr jedoch der Fachkräftemangel. Er droht zum Flaschenhals in der Umsetzung der Klimaziele zu werden. Sie sieht hier jedoch auch Chancen für Frauen, da der Nachwuchs fehlt, sind auch hier Querseinstiege möglich. „Wenn ihr wirklich in einen Bereich wollt, um etwas zu verändern, dann muss das ein Unternehmensbereich mit Hebeln sein! Hier könnt ihr viele Nischen finden, zum Beispiel in der Beschaffung von alternativen Baumaterial,“ sagt die frühere Architektin.
Netzwerke: Mut und Unterstützung für Frauen
Nach diesen Impulsvorträgen gab es viel Raum für etwas sehr Wichtiges im Beruf: NETZWERKEN! Fünf Netzwerke oder Initiativen im Umweltschutz stellten sich in kleinen Gruppen vor. Der Austausch von Erfahrung ist sowohl bei der Stellensuche als auch langfristig wichtig für die berufliche Entwicklung.
UmWeltfrauen Frauen* – für ein besseres Klima
Brigitte Nickel, engagiert sich ehrenamtlich bei den „UmWeltfrauen – Frauen* für ein besseres Klima“ und findet in ihrem Netzwerk vor allem das Empowerment von Frauen aus allen Kulturen und und die Partizipation im Umwelt- und Klimaschutz wichtig.
Sie schilderte, was bei den UmWeltfrauen* zu finden ist: Informationen, Materialien, Workshops und Exkursionen und vor allem Platz für eigene Ideen im Umwelt- und Klimaschutz für Berlin.
Zentral sei vor allem der Austausch und das Zusammentreffen vieler unterschiedlicher Frauen, denn Kommunikation gehöre zu einer der wichtigsten Kompetenzen auf dem grünen Arbeitsmarkt, meint die frühere Heilpraktikerin.
Bauhandwerkerinnen*
Janna Raykowski stellte das bundesweite Netzwerk der Bauhandwerkerinnen* vor. Sie ist gelernte Zimmerfrau und arbeitet seit zwei Jahren bei EnterTechnik. Sie beschrieb ihre eigenen Erfahrungen am Bau und in dem Netzwerk der Bauhandwerkerinnen*.
FLINTA* Personen haben zwangsläufig mit dem männlich dominierten Baugewerbe zu tun, stellt sie voran. Sie selber hätte ohne das Netzwerk der Bauhandwerkerinnen* ihre Ausbildung 2012 abgebrochen. In ihrem kleinen Ausbildungsbetrieb und der Berufsschule war sie die einzige Frau. „Die Netzwerktreffen stärkten mir den Rücken und ich bin stärker geworden durch sie,“ stellt sie fest rückblickend fest.
Das nächste Netzwerktreffen findet vom 19. bis 25. Februar 2024 statt. Am Treffen teilnehmen können alle Bauhandwerkerinnen* ob sie Meisterin* , Gesellin*, Angestellte* oder Selbstständige*, Autodidaktin*, oder noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind. Auch die Vernetzung mit Bauhandwerkerinnen* aus anderen Ländern gehört zum Treffen.
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(FLINTA* ist eine Abkürzung und steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen. Der angehängte Stern dient dabei als Platzhalter, um alle nicht-binären Geschlechtsidentitäten einzubeziehen.)
hypathia – Frauennetzwerk Erneuerbare Energien und Cleantech e.V.
Berhild Meyer-Kahlen, Energietechnikerin mit dem Schwerpunkt Erneuerbare Energien, stellte das Netzwerk hypathia vor. Meyer-Kahlen arbeitet in einem Kreuzberger Ingenieurbüro, das sich mit Quartiers- und Energiekonzepten beschäftigt. Sie ist seit zwei Jahren bei hypathia – Frauennetzwerk Erneuerbare Energien und Cleantech e.V.. Für sie ist es wichtig, um berufliche Kontakte zu knüpfen, Erfahrungen auszutauschen und die Chancengleichheit von Frauen im Berufsalltag zu erhöhen.
Sie findet die Diskussionen und Treffen in ihrem Netzwerk besonders für Frauen wichtig, die in einer weiterhin männerdominierten Branche arbeiten. Sie lud alle Interessierten ein mitzumachen und sieht vor allem in den Bezirken Möglichkeiten als Klimaschutzmangerin zu arbeiten. Ideen für Fortbildungen zum Umweltschutz für Geisteswissenschaftlerinnen* könnten bei C.A.R.M.E.N, dem Centralen Agrar-Rohstoff Marketing- und Energie-Netzwerk, gefunden werden.
Klimagesichter – Umweltbildung mit Geflüchteten
Christoph Herder, Projektleiter der Klimagesichter und Juliana Beltrán berichteten über die kostenlosen Angebote des Projekts zur Qualifizierung von Menschen aus unterschiedlichsten Ländern zu Klimaschutzbotschafter*innen.
Auf Honorarbasis arbeiten die qualifizierten Botschafter*innen als persönlich betroffene Klimazeug*innen und teilen ihre eigenen Erfahrungen mit dem Klimawandel in ihren Herkunftsländern. Durch den interkulturellen Austausch über den Klimawandel wollen sie mögliche Klimaschutzmaßnahmen initiieren. Außerdem geht es auch um neue Berufsperspektiven, konkrete Zugänge zu beruflichen Tätigkeiten und gesellschaftliches Engagement.
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Revitalising Rainfed Agriculture Network
Das Revitalising Rainfed Agriculture Network unterstützt neue standortspezifische agrarökologische Praktiken in der Regenfeldwirtschaft. Bindu Mohanty arbeitet für dieses Netzwerk von mehr als 600 zivilgesellschaftlichen Organisationen, Forscher*innen, Praktiker*innen und politischen Entscheidungsträger*innen in Indien. Sie wollen eine widerstandsfähige Regenfeldwirtschaft, einen Wandel in der Landwirtschaft, dessen jetzige Organisation vor allem die Bäuerinnen* am härtesten trifft. Vergiftete Böden und die Unberechenbarkeit des Wetters bedeuten aktuell ein sehr niedriges Einkommen, Verschuldung und eine extrem hohe Suizidrate unter den Regenfeld-Bäuerinnen.
Die Veranstaltung war ein Angebot aus dem Projekt Ökothek.
Das Projekt Ökothek wird gefördert durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung.